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23 August 2010

Großer Bruder ... Du fehlst mir so!




Heute ... noch heute weiß ich viele Details von jenem Tag.

Die Tage vorher so viele schlimme Nachrichten, Lungenentzündung, Nierenversagen.

Am Samstagabend  rief mich Deine Frau an, sie meinte, es ginge Dir besser.
Du warst an die Dialyse angeschlossen worden und Deine Werte wurden dadurch besser.
So viel Hoffnung. Wir waren so froh!

Am nächsten Tag, Sonntag um 9.15 Uhr klingelte bei mir das Telefon.
Ein Arzt aus Murnau meldete sich bei mir.
Er meinte, er würde mich im Auftrag meiner Schwägerin anrufen.
Seine Worte weiß ich noch sehr genau!

"Ihr Bruder hat es geschafft, er ist über den Berg." (Welche Erleichterung)
"Er ist friedlich eingeschlafen."
Ich verstand im ersten Moment gar nichts mehr.
Was hatte er gesagt? Über den Berg? Friedlich eingeschlafen?
Aber über den Berg ... heißt doch ... es geht Dir besser ... ?
Er meinte dann: "Sie müssen es ihrer Mutter sagen, wir müssen die Presse benachrichtigen.
Bevor sie es aus dem Radio erfährt, wäre es besser, sie sagen es ihr".
"Ich? Ich kann doch meiner Mutter nicht sagen, dass ihr Sohn tot ist.
Das kann niemand von mir verlangen. Das ist zu viel ... das schaffe ich nicht."

Ich war nicht im Stande.
Hatte die 12 Tage vorher so viel erlebt, so viel erfahren ...
Ich rief meine Schwester an, ich wollte dass sie das tut.
Sie hat Dich nicht besucht, sie machten Urlaub am Chiemsee.
Ich war nicht im Stande.

Ich ging zum Fenster, konnte nicht verstehen, dass die Autos noch fahren.
Nicht verstehen, dass das Leben weiter geht, wo meines doch im Moment still stand,
irgendwie vorbei schien.
Ich schrie ... ich konnte noch so viel denken, dass die Kinder weg mussten.
Sie waren noch so klein ...
Ich lies sie abholen, war nicht fähig mich um sie zu kümmern.
Ausserdem sollten sie mich nicht "so" sehen.
Schon eine halbe Stunde später wurden sie abgeholt.

Ich rief eine Freundin an, sagte ihr was passiert sei,
ich spürte ihr Entsetzen, ihre Sprachlosigkeit,
sie meinte "Ich weiß jetzt nicht was ich sagen soll ... ".
Ich sagte nur: "Gar nichts, ich bin froh, dass Du am Telefon bist, auch wenn wir nur schweigen.
Du mir beim weinen zuhörst. Nur, dass jemand da ist, sei es auch nur am Telefon."
Manchmal können Worte zu viel sein.

"Das Leben geht weiter." Diesen Spruch mag ich gar nicht, kann mit ihm nichts anfangen.
Ich weiß, dass es weiter geht, aber für mich scheint es in dem Moment still zu stehen.
Vorbei zu sein.

Meine Schwester, sie fuhren wohl sofort los ... eine knappe Stunde später klingelten sie bei mir.
"Wo ist Mama, die sind nicht im Garten." waren ihre Worte.
In dem Moment ... oh weh, die sind bei unserer Tante.
Mein Schwager meinte "jetzt macht nicht mehr rum, ihr müsst es ihr jetzt sagen".
Ich sah meine Schwester an, schüttelte den Kopf ... "ich kann nicht."
Sie rief an, unser Onkel war am Apparat. Der Lautsprecher an meinem Telefon war an.
Aus den Antworten meines Onkels erfuhr meine Mutter was passiert war.
Sie weinte und sagte ständig "Mei Bua ... mei armer Bua."

Ich wollte sie und meinen Vater abholen, wollte nicht,
dass sie in der Situation mit der S-Bahn nach Hause fahren..
So oft war ich diese Strecke schon gefahren.
Ich verfuhr mich mehrere Male. Wie ich dann dort angekommen bin, weiß ich heute nicht mehr.
Im Auto dachte ich "das hast du dir eingebildet, die Worte waren doch klar, er ist über den Berg."
Ich war der festen Überzeugung, dass mich alle für verrückt erklären würden, wenn ich ankomme.
Es war alles so unwirklich. Er war doch vorher nie krank.
Die Gesichter, die Trauer, all das belehrte mich eines Besseren.
Alle waren sprachlos. Man spürte förmlich das Ensetzen über das für uns Unglaubliche.
Es war gerade Mittagszeit.
Nein, an essen war nicht zu denken.

Am Nachmittag trafen wir uns alle bei mir.
Meine Schwägerin kam auch.
Solche Tage ... das Unglück ist kaum begreifbar.
Und doch, man konnte es förmlich im Raum fühlen.
Die Fassungslosigkeit, Ratlosigkeit und den puren Schmerz.
Irgendwann versiegen auch die Tränen.

Ich wollte so gern von Dir Abschied nehmen. Und durfte nicht.
Durfte Dich nicht mal mehr am Krankenbett besuchen.
Du solltest tot sein. Ich konnte es nicht glauben.
Dass mich das mein ganzes Leben lang begleiten sollte,
dieses Gefühl mich nicht von Dir verabschiedet zu haben, das war mir damals nicht bewusst.

Viele Worte die ich Dir noch gern gesagt hätte.
Eine Freundin von mir meinte einmal:
"Du brauchtest ihm nicht sagen, dass Du ihn liebst, Eure Liebe war für jeden spürbar!
Das hat jeder gesehen."




Kürzlich habe ich einen Spruch gehört, so in etwa:

"Den eigenen Tod braucht man nur sterben,
aber mit dem der Anderen muss man leben."





Du bist nicht mehr da ...
und wir, wir müssen ohne Dich weiter leben ...

Noch heute, ich vermisse Dich so sehr!!!



Ja, ich wollte ... ich hätte so gern, es wäre so wichtig gewesen:

"Ich wollte noch Abschied nehmen ... und durfte nicht,
SIE hat uns nicht gelassen ... "

Ich vermisse Dich so sehr ... !!!
Ich werde Dich IMMER vermissen!!!


10 Kommentare:

  1. Es war eine andere Ursache aber genauso plötzlich und unvorstellbar für uns - der Tod unseres Bruders, Schwagers und Onkels mit 41 Jahren im Mai dieses Jahres.
    Zurück bleibt eine trauernde Familie, Freunde, Arbeitskollegen, Wegbegleiter.
    Jeder trägt und verarbeitet den Schmerz, den Verlust auf seine Weise. Aber ich finde, seine junge Frau und die beiden kleinen Kinder trifft es am Härtesten.
    Auch wir wollten so gerne noch Abschied nehmen...das Lied von Xavier Naidoo wurde auch auf Torsten's Beerdigung gespielt...
    "FALLENDE BLÄTTER, VOM WINDE GETRAGEN, ZEIGEN DIR AN, DASS DIE STUNDE GESCHLAGEN, IN DER ERFÜLLTES SANFT VON UNS GLEITET, DAS UNERFÜLLTE BLEIBT HIER UND LEIDET."
    Stille Grüße,
    anja

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  2. Man merkt richtig, wie du deinen großen Bruder geliebt hast bzw. immer noch liebst. Aber er weiß das und freut sich bestimmt darüber.
    Als ich 12 war ist meine Mama gestorben. Sie ist aber trotzdem immer bei mir und das fühlt sich so gut an.
    Wie geht es eigentlich deiner kleinen Maus? Kann die OP stattfinden trotz Keuchhusten?
    Wünsche euch ganz viel Kraft.
    Liebe Grüße
    Silke

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  3. Mein Vater ist schon 30 Jahre lang tot, meine
    Mutter 26 Jahré. - Es bleibt ewig in Erinnerung.
    Jetzt habe ich nur noch als nahe Verwandte meine Schwester zu verlieren.
    Ich denke an dich, Angelika (meine Schwester
    haißt Angela), und im Rahmen meiner Möglichkeiten bete ich für dich.
    Viel Kraft wünscht dir
    Elisabeth

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  4. Liebe Angelika
    ich habe heute bewußt kurz am Denkmal angehalten. Es liegen frische Blumen dort. Es ist seltsam, wenn man Jahre später dortsteht und das Leben ist wirklich einfach so weitergegangen. Es hat sich dort einiges verändert. Das schöne alte Haus am Anfang der Truderingerstrassse ist weg. Tja, und der McDonald steht natürlich noch da. Wir sind dort nie mehr reingegangen.
    Wir waren nun auch wieder an dem Baum, an dem mein Bruder verunglückt ist. Der Baum war damals verkohlt und ich dachte nie, dass er weiterstehen bleibt. Er steht noch da! Und die halbe Baumkrone hat viele schöne Blätter und die Vögel besuchen ihn.
    Es gibt keinen wirklichen Trost, das weisst Du ja. Es gibt die Erinnerungen, und ich bin mir so sicher, dass niemand ganz weg ist. Aber das hast Du ja auch schon bei mir gelesen.
    Wie man aus Deinen Zeilen erkennen kann, ist die Liebe auch geblieben.
    Lass Dich gut umsorgen an diesen schweren Tag. Pass auf Dich auf.
    Viele Grüße
    Elisabeth

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  5. Liebe Angelika,

    manchmal fehlen mir einfach die Worte... am liebsten würde ich dich mal ganz fest in den Arm nehmen... bin in Gedanken bei dir und wünsch dir ganz ganz viel Kraft.

    Liebe Grüße, Ursula

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  6. Mama ich hab dich so lieb ich weis gar nicht was ich schreiben soll ich will nur das du weist das ich dich sooooo unendlich lieb habe. ICh bin mir ganz sicher das er gewusst hat das du ihn über alles geliebt hast und er weis das du ihn sehr vermisst.

    Ich hab dich soo lieb
    Deine Tochter

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  7. Liebe Angelika,
    das tut mir alles so leid für dich, und ich kann mir so gut vorstellen, wie lange einem so etwas begleitet und nicht in Ruhe lassen kann. Und alles, was man gesagt bekommt, ist lieb gemeint, aber meistens tröstet es wenig. Vielleicht ist es dir aber trotzdem ein kleiner, positiver Lichtstrahl, dass dein Bruder selbstlos anderen Menschen geholfen hat bei diesem traurigen Unglück.
    Ich wünsche dir, dass du dich irgendwann mit dem Geschehenen aussöhnen kannst und innerlich Ruhe findest.
    Und ich wünsche dir auch, dass dieser Tag heute etwas Schönes, Erfreuendes für dich bereit hält!
    Sei gedrückt, und ganz liebe Grüsse,
    die Hummel

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  8. Habe heute den Wochenspruch gelesen und an dich gedacht - schicke stille Grüße und drück dich!
    "DAS GEKNICKTE ROHR WIRD ER NICHT ZERBRECHEN, UND DEN GLIMMENDEN DOCHT WIRD ER NICHT AUSLÖSCHEN" (Jesaja 42,3)

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  9. Ich wollte dir nur einen lieben Gruß dalassen...habe es erst heut gelesen und ich nach fühlen.....

    Herzlichst
    artista

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