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15 Juli 2011

Mama ... Dein langsamer Abschied (Teil1)




Ach Mama ...weißt Du, es war schwer die letzten Jahre zusehen zu müssen ... 
Dich in Deiner Krankheit zu sehen ... 

Ich wollte es nicht sehen, was mit Dir ist, wollte es nicht wahrhaben, mir nicht eingestehen. 
Aber es gab 2 Vorfälle, die ich registriert habe, aber ich wollte nicht glauben, was mit Dir passiert.
Wir beide waren Kaffee trinken und Du erzähltest mir, dass Du das Grab von Günter und das von Papa nicht mehr findest. 
Ich war so entsetzt, es tat mir so weh, Du hast es nicht mehr gefunden, das Grab von Deinem Sohn.  Ich habe Dir den Weg und die Gräber gezeigt. Du hast Dich so gefreut darüber, dass ich mit Dir dort war. An diesem Tag wollten wir die Gräber neu bepflanzen. Du bist noch mal mit uns mit, Du hast Dich so oft bedankt bei Deinem Schwiegersohn. 
Noch heute bin ich froh darüber, dass Du an diesem Tag mit uns gemeinsam dort warst, 
denn ich glaube, dass es das letzte Mal war, dass Du dort gewesen bist. Ich bin froh, dass Du nicht
mitbekommen hast, was "SIE" mit dem Grab Deines Sohnes gemacht hat. 



Der andere Vorfall war etwas später. Du hast mich gefragt, warum Günter nicht mehr kommt, warum  Dein Sohn Dich nicht mehr besucht, er den Du so sehr geliebt hast. Ich war völlig hilflos in der Situation, überfordert, vermisse ich ihn doch selbst so sehr. In meiner Ahnungslosigkeit erzählte ich Dir, dass er nicht mehr bei uns ist. 
Was dann folgte ... es war so, als würdest Du zum ersten Mal erfahren, dass er tot ist. 
Du hast geweint ... warst völlig verzweifelt ... 
DAS wollte ich nicht ... nie mehr sagte ich etwas in dieser Richtung zu Dir.
Besser fand ich, Du glaubst, dass er keine Zeit hat.



***

Deine Krankheit breitete sich aus, nahm von Dir Besitz. 
Manchmal hast Du wohl nicht mehr nach Hause gefunden, 1x wurde ich darüber von der Polizei informiert. 
Wir wohnten leider zu der Zeit viel zu weit entfernt von Dir.


Ich wollte es nicht sehen, nicht glauben, schon überhaupt nicht sagen, dieses schreckliche:
Meine Mama ist an Demenz erkrankt.
2 Pflegerinnen kamen zu Dir und als das nicht mehr ging, nach diesem ganz schrecklichen Zusammenbruch von Dir, als Du ins Krankenhaus kamst, da war klar, Du kannst nicht mehr nach Hause zurück. Erst kamst Du ins Bezirkskrankenhaus auf eine "Übergangsstation", bis ein Platz in einem Heim für Dich gefunden war. Die Station war sehr persönlich eingerichtet und wir hatten den Eindruck, Du fühlst Dich wohl. Wo Du da bist, haben wir Dir nie gesagt. Anschließend, als ein Platz gefunden war, kamst Du in „dieses“ Heim. Dich im Heim zu wissen, es war so schrecklich für mich. Ich wusste, dass ich Dir nicht helfen konnte, auch aus eigenen gesundheitlichen Gründen. Es wäre nicht möglich gewesen bei uns. Und so, warst Du  „dort“. Wohl war mir dabei nie. 


***

Anfangs wolltest Du immer mit ... nicht dort bleiben. Ich hab Dir was von einem „Hotel“ erzählt. 
Du hattest immer wieder Angst, dass Du nichts zu essen bekommst. Ich sagte Dir, dass sie sich in diesem Hotel um Dich kümmern, Du nichts machen musst. Auch nach Deiner Wohnung hast Du gefragt, ich hab Dir erzählt, dass „alles noch da sei“. Ich sehe noch heute Dein Gesicht, dieses „Strahlen“ von Dir. „Alles noch da? Des is ja prima“, hast Du gesagt. Ich war immer froh, wenn Du Dich mit meinen "Erklärungen" zufrieden gabst. Ich hätte nicht gewusst, was ich Dir sagen sollte. Aber es gab auch andere Vorfälle, nämlich jene, wenn Du „mit“ wolltest, hinter mir her liefst ... ich nicht wusste was ich tun sollte und ich gegangen bin, fast "davon gelaufen".
Ach Mama ... es tat so weh!!!

Meist habe ich eine Pflegerin gefragt, ob sie Dich ablenken könnte oder ich wartete bis es Essen gab, damit Du beschäftigt warst und mir nicht hinterher siehst. Denn DAS war besonders schlimm. 


Es war so ungewöhnlich ... die Rollen hatten sich geändert. 
Plötzlich warst Du in unserer Rollenverteilung "das Kind" und ich die Erwachsene ... 
Zunächst hast Du mehrmals gefragt, wie lange Du noch bleiben musst. 
Bei dieser Frage bekam ich einen dicken Frosch im Hals, versuchte die Tränen zu unterdrücken ... 
wusste ich doch ... wollte aber nicht darüber nachdenken und es keinesfalls aussprechen ... 
dass Du dort bleiben musst bis ... 

Bei jedem Besuch war es ein Stück Abschied nehmen von Dir. 
Ein qualvoller langsamer Abschied die Jahre hindurch. 
Manchmal stellte ich mir selbst die Frage, ob Du „geflüchtet bist“ vor dem was Du kaum mehr aushalten konntest.
Geflohen vor den Schrecken, vor den Erinnerungen Deines Lebens. 
Hast Du Dir irgendwann gedacht „Mir reicht´s, ich bin dann jetzt weg ..."


Ab und zu hatte ich den Eindruck, Du „verschwindest“ förmlich vor meinen Augen. 
Wenn Du wieder „zurück kamst“, dann war ich erleichtert, aber es war nicht wie früher. 
Vielleicht weil mir bewusst wurde, dass das schon jetzt  und immer wieder ein „kleiner Abschied“ ist. 
In diesen Momenten erkannte ich, dass ich Dich teilweise schon „verloren“ hatte. 
Ich wollte dieses „vergessen“ nicht sehen. 
Wenn ich zu Dir kam, hast Du mich erkannt, aber nicht gewusst wer ich bin. 
Es tat so weh zu sehen, dass Du Deine eigene Tochter nicht erkennst. 

Mama, es tat so weh!!!! Langsam von Dir Abschied zu nehmen ... 
Ich bin oft ins Auto, setzte mich erst mal und hab einfach nur geweint ... 
geweint um Dich ... um das Leben das Du jetzt "am Ende" noch führen musstest ... 
und auch geweint, weil "er" nicht da war ... 
er hätte Dich mitgerissen mit seiner Leichtigkeit, Dein Sohn!!! 
Du hast ihn so sehr geliebt.

Du und Günter, "Dei Bua"

An manchen Tagen warst Du so spontan wie früher selten.
Einmal hast Du mich angesehen und zu mir gesagt:
"Ich hab Dich lieb." Wie sehr ich mich da gefreut habe, ganz warm wurde mir.
Noch heute wenn ich daran denke, treten mir Tränen in die Augen 
und ich  freue ich mich über diesen Moment.



***


Ich erinnere mich noch sehr gut an unseren letzten Besuch bei Dir, er war ganz spontan. 
Ich war so froh, dass ich nicht allein bei Dir war. Allein war es noch schlimmer. 
Du hast nie viel gesprochen aber in dem letzten Jahr, warst Du ganz ruhig, so still. 
Und ich saß dann neben Dir und wusste auch nicht was ich sagen sollte. 

Bei diesem letzten Besuch, haben wir mit Dir Mensch-ärgere-Dich-nicht gespielt. 
Papa mochte dieses Spiel nicht, er mochte lieber Spiele bei denen man „sein Hirn einsetzen muss“. 

Deine Züge hast Du mit allem was auf dem Spielbrett lag, gemacht.
Mit dem Würfel, den Spielfiguren, mit unseren Figuren. Gezählt hast Du immer richtig.
Darauf war ich irgendwie stolz, weil dann „kann  es noch nicht so schlimm sein“.
An was man sich so „fest hält“ damit man die Situation ertragen kann.
Anfangs wollten wir Dir bei Deinen Zügen noch helfen, sagten Dir, welche Deine Figuren wären. 
Doch irgendwann sagte ich, lass sie doch, Hauptsache sie hat ihre Freude. 
Und wir hatten Freude an dem Spiel mit Dir. 
Meine „Große“ meinte: „Wenn mein Sohn sähe, wie Oma spielt, würde er ihr sagen: 
"so spielt man das aber nicht, die Oma spielt falsch ...“. 
Bei unserem Abschied von Dir, haben wir uns wieder mal „davon gestohlen“, 
damit Du nicht traurig bist, wenn Du nicht mit uns fahren kannst. 
Wir haben wieder gewartet bis es Essen gab und so warst Du beschäftigt. 

***



Wenn ich gewusst hätte ... jeden Tag hätte ich Dich besucht ...
Ja, wenn ....hinterher ist man immer schlauer ...

"Die bittersten Tränen weint man über das, was man versäumt hat."
Mama ... ich weine viel ... über "Versäumtes" ... 


***


Ich war oft so traurig darüber,  nicht mehr mit Dir sprechen zu können über die Dinge die mir noch wichtig gewesen wären, . Über Deine Kindheit, Deine Jugend ... Dein Leben ... 
Nach jedem Besuch war ich verzweifelt ... aber das war noch nichts gegen das ... was noch kommen sollte. 
Ich habe mir immer gewünscht und gebetet, dass Du nicht leiden musst,
wenn "ES" mal so weit ist ... leider ... 






                                                                                                                Der nächste Teil ... folgt ... 



4 Kommentare:

  1. Ich kann gar nichts dazu schreiben. Du hast so ehrlich Deine Gedanken niedergeschrieben....
    Ich drück Dich, liebe Grüsse
    Elisabeth

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  2. Einfach schlimm, kann ich dazu nur sagen! Egal welche Krankheit der geliebte Mensch hat. Ich kenne es nun genau anders herum: ein gesunder Geist gefangen in einem völlig kaputten Körper.
    Ständig diese Selbstvorwürfe, dass man nichts tun kann und sich davonstiehlt.
    Schönes Wochenende, einen Drücker und LG (hast du meine Mail bekommen?), Erika

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  3. Meine Liebe..
    ich habe deine mail bekommen und ich habe dir auch geantwortet.. Falls du meine Mail nicht bekommen hast.. dann meld dich doch mal.. hab dir gleich 2 geschrieben..
    Mein AOL Programm funktioniert aber auch momentan nicht so gut..
    Ich umarme dich und denk an dich..
    Gggggggggggglg Susi

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  4. Deine Worte berühren mich tief - ich denke an dich und drück dich in Gedanken -
    lg. ruth

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